Autismus-Spektrum-Störungen (ASS), häufig auch einfach als Autismus bezeichnet, werden in der breiten Öffentlichkeit zunehmend bekannt. Weltweit wird ein stetiger Anstieg der diagnostizierten Fälle beobachtet, was nicht nur auf demografische Faktoren zurückzuführen ist, sondern auch auf verbesserte diagnostische Instrumente, den erweiterten Zugang zu psychiatrischer und psychologischer Betreuung sowie auf ein vertieftes Verständnis der Natur dieser Störungen.
Zu den möglichen Ursachen der ASS zählen Fachleute genetische Prädispositionen, ungünstige Umwelteinflüsse, Störungen der pränatalen Entwicklung sowie ein Ungleichgewicht von Spurenelementen im Körper. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass der Begriff „Erkrankung“ in Bezug auf ASS nur bedingt zutreffend ist: Nicht alle Formen des Spektrums haben einen pathologischen Charakter, und nicht alle erfordern medizinische Intervention. Daher werden ASS als ein Spektrum von Zuständen verstanden – von hochfunktionalem Autismus, bei dem eine weitgehende Anpassungsfähigkeit erhalten bleibt, bis hin zu schweren Ausprägungen mit deutlich beeinträchtigter Entwicklung und auffälligem Verhalten.
Die auffälligsten Symptome von ASS umfassen das Meiden von Blickkontakt, eine Überempfindlichkeit gegenüber Berührungen, Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion sowie eine Neigung zu wiederholten Verhaltensmustern und Routinen. Diese Merkmale sind Teil des psychologischen Profils und bilden häufig den ersten Anlass für eine diagnostische Abklärung.
Der Ansatz zur Unterstützung von Menschen mit ASS hängt von der Form und vom Schweregrad der Störung ab. Bei leichten Ausprägungen können kognitiv-behaviorale Therapie, Psychoedukation und psychologische Begleitung wirksam sein. Bei schwereren Beeinträchtigungen kann hingegen eine dauerhafte Unterstützung im Alltag und die Zusammenarbeit eines multidisziplinären Fachteams erforderlich sein.
Wesentlich ist die Abgrenzung von ASS gegenüber Zuständen mit ähnlicher Symptomatik. So können etwa Rückzugsverhalten und Kontaktvermeidung auch bei Schizophrenie auftreten; die zugrunde liegenden Mechanismen und die klinischen Bilder unterscheiden sich jedoch deutlich, sodass die für ASS entwickelten Interventionsmethoden in solchen Fällen wirkungslos wären.
Der gegenwärtige Trend zur Popularisierung des Autismus, der nicht selten mit vereinfachenden Vorstellungen über die sogenannte „Krankheit der Genies“ einhergeht, verlangt eine differenzierte Betrachtung. Kommunikations- und Anpassungsschwierigkeiten können zahlreiche Ursachen haben – individuelle Besonderheiten, andere psychische Störungen oder persönliche Problemlagen. Das Beispiel von Elon Musk, der offen über sein Asperger-Syndrom gesprochen hat, stellt lediglich einen Einzelfall dar und darf nicht als Grundlage für eine pauschale Romantisierung des Diagnosespektrums dienen. Zudem sind sogenannte „Inselbegabungen“ keineswegs ein obligatorisches Merkmal von ASS.
Das diagnostische Verfahren bei Autismus-Spektrum-Störungen ist in vielen Ländern mehrstufig aufgebaut. So werden etwa in Israel, den USA und auf den Philippinen zunächst verschiedene somatische und genetische Erkrankungen ausgeschlossen, bevor eine Überweisung an einen Psychiaterin erfolgt. Der typische Ablauf umfasst:
- Blutuntersuchungen auf Eisenmangel, Vitamin B12, Vitamin D und Folsäure;
- Überprüfung der Schilddrüsenfunktion (TSH, T3, T4, Antikörper);
- Diagnostik des Kohlenhydratstoffwechsels, einschließlich Glukose- und HbA1c-Test;
- Ausschluss der Wilson-Krankheit (Kupfer- und Coeruloplasminwerte);
- Test auf Mukoviszidose (Schweißtest);
- Diagnostik auf Zöliakie (Antikörper, Immunglobulin A);
- Überprüfung der Leber- und Nierenfunktion sowie der Elektrolyte, Kalzium- und Phosphatwerte;
- Neurologische Untersuchungen (EEG, MRT oder CT);
- Ausschluss von Speicherkrankheiten (z. B. Morbus Hunter, Morbus Fabry).
Erst nach Ausschluss somatischer Pathologien und auf Grundlage psychiatrischer Beobachtungen kann eine ASS-Diagnose gestellt werden. Psycholog*innen – auch bei entsprechender Qualifikation – sind nicht befugt, eine solche Diagnose ausschließlich anhand von Tests zu stellen, insbesondere nicht im Rahmen einer Selbstdiagnose mittels Online-Fragebögen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Diagnostik von Autismus-Spektrum-Störungen erfordert einen umfassenden, interdisziplinären Ansatz, der sowohl medizinische Untersuchungen als auch professionelle psychologische Beobachtung einschließt. Vereinfachte oder eigenständige Diagnosestellungen sind unzulässig und können zu einer verzerrten Wahrnehmung der eigenen Schwierigkeiten oder Besonderheiten führen.
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