Weltweit steigt der Anteil der Menschen, bei denen eine Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert wird. Autismus ist somit zu einer „Modekrankheit“ geworden, die von verschiedenen Fachleuten oft schon nach einem halbstündigen Gespräch festgestellt wird. Doch ist es wirklich so einfach? Und worin liegt der Unterschied zwischen echtem Autismus und sekundärer Autisierung?
Die Diagnose von Autismus-Spektrum-Störungen ist eine vielschichtige Aufgabe. Sie besteht nicht nur darin, psychologische Tests durchzuführen und ein kurzes Gespräch zu führen. Sie beinhaltet auch den Ausschluss neurologischer Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen, die längere Beobachtung der betroffenen Person sowie die Erfassung ihrer individuellen Besonderheiten und Verhaltensmuster.
Ein wichtiger Bestandteil der Diagnostik ist die Suche nach den Ursachen, warum der Klient (oder Patient) Symptome zeigt, die einem ASS ähneln. Handelt es sich um eine echte Störung innerhalb des Spektrums, so liegen die Ursachen in den neurologischen Besonderheiten der Gehirnfunktion. Solche Symptome können zwar gemildert werden, lassen sich aber nie vollständig beseitigen. Die Menschheit hat bislang kein Heilmittel gegen Autismus gefunden, und wenn man Autismus als Pathologie betrachtet, dann in schweren Fällen – insbesondere, wenn die Störung das Leben der betroffenen Person erheblich beeinträchtigt und die Lebensqualität deutlich mindert.
Es kommt vor, dass eine Person sogenannte komorbide Störungen hat. Dieses Thema verdient eine eigene ausführliche Betrachtung, doch kurz gesagt bedeutet Komorbidität, dass mehrere Störungen gleichzeitig auftreten – etwa ASS und ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) oder ASS und eine bipolare affektive Störung. Abhängig von der primären Störung können sich die Symptome stark unterscheiden und ein individuelles Spektrum bilden. Ein solcher Symptomkomplex erfordert zusätzliche Beobachtung, eine schrittweise Diagnostik und den Ausschluss anderer Störungen.
Im Verlauf der Diagnostik kann sich herausstellen, dass es sich nicht um echten Autismus handelt. Dies geschieht in der Regel aus zwei Gründen. Erstens kann eine zugrunde liegende Krankheit oder psychische Störung vorliegen, die zur sekundären Autisierung geführt hat. Beispielsweise verursacht eine psychische Erkrankung wie Schizophrenie häufig autistische Symptome. In diesem Fall wird Autismus als Symptom und nicht als eigenständige Störung betrachtet.
Zweitens kann eine Autisierung bei bestimmten psychischen Besonderheiten aufgrund psychischer Traumata oder charakterlicher Merkmale entstehen. So können bei einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung autistische Symptome auftreten, die mit Schwierigkeiten in der Sozialisierung zusammenhängen. Auch kleine Kinder können nach psychischen Traumata, etwa durch starke Angst oder Stress, Anzeichen sekundärer Autisierung zeigen. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass dies kein ASS ist – sekundäre Autisierung ist therapierbar und kann durch geeignete Psychotherapie, einschließlich kognitiver Verhaltenstherapie (KVT), vollständig rückgebildet werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sekundäre Autisierung kein echter Autismus im eigentlichen Sinne ist, obwohl sie deutlich häufiger vorkommt als echte Autismus-Spektrum-Störungen. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass echter Autismus auf neurologischen Besonderheiten der Gehirnfunktion beruht, während sekundäre Autisierung psychische Ursachen hat. Und während echter Autismus nicht heilbar oder vollständig korrigierbar ist, lässt sich sekundäre Autisierung durch angemessene Psychotherapie durchaus überwinden.
Der Originalartikel in russischer Sprache wurde in der Sammlung des Instituts für Bildungsentwicklung, Weiterbildung und Umschulung veröffentlicht:


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